Mit dem Motto ’Eure Geschichte ist unsere Geschichte’ bietet das Jakob Bleyer Heimatmuseum, als ein lebendiges Museum neben seinen Ausstellungen lokale und landesweite ungarndeutsche Projekte an.
BeratungDie in der Nachbarschaft von Budapest liegende Gemeinde Budaörs entvölkerte sich Ende des 17. Jahrhunderts. Gräfin Zsuzsanna Zichy geborene Gräfin Bercsényi ließ die ersten deutschen Siedler ins Land kommen, mit denen sie am 21. April 1721 einen Vertrag abschloss. Dieser Kontrakt sicherte zahlreiche Vorrechte und regte somit die Ankömmlinge zum Bleiben an. Die geografischen Gegebenheiten waren besonders für den Weinbau günstig, der zwei Jahrhunderte lang für die meisten Ortsbewohner den Lebensunterhalt sicherte. Das schönste Andenken an diese Zeit ist das Kellerdorf, das sich um den Steinberg und um den Kalvarienberg herausgebildet hatte. Das andere markante Merkmal der volkstümlichen Kultur der Siedlung ergab sich aus dem römisch-katholischen Glauben: die Prozession zu Fronleichnam und die Passionsspiele machten Budaörs weit und breit bekannt.
Die Leidensgeschichte von Christi wurde zum ersten Mal 1931 im Gasthaus Müller von der kunstliebenden Lyra Sektion des Budaörser Levente Vereins vorgetragen. Die Zeitung Pesti Hirlap berichtete darüber im März 1931 folgenderweise: „Ein kleines Wirtshaus am Dorfausgang, aber gleichzeitig auch ein ‚Kulturhaus‘. Und dieses Kulturhaus ist heutzutage Schauplatz großer Ereignisse. Der Budaörser Levente Verein veranstaltet hier samstags und sonntags Passionsspiele. Einfache Leute, budaörser Eingeborene beobachten andächtig die Vorstellung, aber sonntags finden sich auch von weiter Ferne hier Gäste ein. Die Budaörser Passionsspiele machen bereits Schlagzeilen, und es ist nicht unmöglich, dass dieses künstlerische Ereignis von Budaörs bald in den Mittelpunkt ernsthafter Interesse gerät. […] Wird Budaörs zum ungarischen Oberammergau? Man kann es nicht wissen.“
Auf die von Pesti Hirlap gestellte Frage kam in einigen Jahren die Antwort: Budaörs wurde zum ungarischen Oberammergau.
Von 1933 bis 1939 diente der Steinberg als Schauplatz für die Budaörser Passion. Neben den gebauten ständigen Kulissen stand auch die Steinbergkapelle hier, eine der berühmtesten Gebäude der Ortschaft.
Das Erbauen der Steinbergkapelle knüpft an den Namen von Franz Wendler (1815–1897). Dank einer Marien-Erscheinung und einem wunderbaren Entkommen, erbaute er sie zu Ehren der Heiligen Jungfrau. Der Grundstein für die Kapelle wurde am 5. Mai 1855 gelegt, eingeweiht wurde sie am 15. Oktober.
Während des Zweiten Weltkrieges erlitt die Kapelle Einschüsse, diese Schäden wurden noch von der Familie Wendler behoben. Nach der Vertreibung 1946 hatte aber das Gebäude keine Betreuer mehr, demzufolge wurde sie und auch die Kulissen abgetragen.
Auf Initiative der Deutschen Selbstverwaltung Budaörs wurde 2003 mit Unterstützung der Stadt, der Einwohner und der einst ausgesiedelten Budaörser die Steinbergkapelle neu errichtet, und ihre Umgebung dient wieder als Schauplatz für die Passionsspiele.
Im Gasthaus Müller wurden drei Jahre lang mit großem Erfolg die Aufführungen veranstaltet, und es kam der Gedanke, die Passionsspiele im Freien, auf dem Steinberg vorzutragen.
Das Koordinieren nahm der Lehrer Bató Géza in die Hand, und die Ortsbewohner von Budaörs schlossen sich einvernehmlich an. Als Ergebnis dieser Zusammenarbeit entstanden innerhalb kurzer Zeit die Kulissen, bzw. es wurde der finanzielle Hintergrund für die Organisierung der Vorstellungen gesichert.
Die erste Aufführung fand am 11. Juni 1933 statt. In den kommenden Jahren zeigte man im Juni, Juli und August immer samstags und sonntags die zweisprachigen Vorstellungen. Das von Bató Géza geschriebene Textbuch wurde von Aubermann Miklós ins Deutsche übersetzt. Beim musikalischen Teil des Stückes wirkten der Kapellmeister Johann Hesz und seine Kapelle mit.
Die zeitgenössische Presse schrieb mit Bewunderung und Begeisterung über die Passionsspiele. Das Blatt 8 Órai Újság schrieb nach der ersten Vorstellung 1933 folgendes: „Die Schwaben in Budaörs zeigten am Sonntag ihr Bestes: sie zeigten ein Passionsspiel mit zweihundert Personen, in zeitgemäßen Kostümen… Mit unglaublicher Energie taten sich die tüchtigen Schwaben zusammen, damit die Vorstellung gut gelinge. […] In zeitgemäßen Kostümen, die anhand von Gemälden angefertigt wurden, spielten sie das von Bató Géza geschriebene Textbuch etwa dreieinhalb Stunden hindurch. Man kann von bequemen Sitzplätzen die ganze Vorstellung verfolgen, und es ist unmöglich ohne ein wärmendes Gefühl über einige Szenen hinwegzugleiten.“
Wegen schlechten Wetterbedingungen und Geldmangel wurden die Aufführungen 1939 eingestellt. Obwohl 1941 im Városi Színház (Städtisches Theater) das Stück noch gezeigt wurde, sind die Vorstellungen infolge des Zweiten Weltkrieges und der Vertreibung endgültig eingestellt worden.
Zum riesigen Erfolg der Passionsspiele trug der imposante Schauplatz wesentlich bei, dazu kamen noch die dort erbauten Kulissen. Mit den Bauarbeiten begann man im Sommer 1932. Der Spielraum war 70 Meter lang und 20 Meter breit, es gehörte eine Zuschauertribüne für 2000 Personen dazu. Die aus Ziegeln und Steinen erbauten Kulissen widerspiegelten glaubhaft jene Zeit und jene Stimmung, in der Jesus wirkte und die zu seiner Kreuzigung führte. Die folgenden Gebäude wurden errichtet: das Tor von Jericho; das Bethsaida-Bad; das Haus des Hohepriesters Kaiphas; das Haus von Nicodemus mit jenem Raum, in dem das letzte Abendmahl genommen wurde; das Heim von Jairus; das Tor vor dem Weg zum Golgota; die Säulenhalle um die Kirche; der Hof der Kirche; die Kirche mit dem Altarsakrament im kultischen Raum der Kirche; der Palast von Pilatus; ein Brunnen; der Ölberg; der Golgota und das Heilige Grab. Paul Herzog bemalte das Innere eines jeden Gebäudes – gemäß der biblischen Umgebung – künstlerisch.
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