Mit dem Motto ’Eure Geschichte ist unsere Geschichte’ bietet das Jakob Bleyer Heimatmuseum, als ein lebendiges Museum neben seinen Ausstellungen lokale und landesweite ungarndeutsche Projekte an.
BeratungUnmittelbar vor der Vertreibung, in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges wurden Verordnungen gebracht, die sich auf die Kollektivschuld der Ungarndeutschen richteten. Die Verschleppung der etwa 35 000 Ungarndeutschen zur Zwangsarbeit (Malenkij Robot) in die Sowjetunion, beginnend im Dezember 1944 wurde von den Sowjets veranlasst und durchgeführt, aber hinter den Verfügungen von 1945 stand in erster Linie der Wille der ungarischen Regierung. Die Regierung, die eindeutig unter sowjetischer Beeinflussung stand, war bestrebt, eine gesellschaftliche Basis zu schaffen, wozu der Weg auch durch die Entrechtungsmaßnahmen der Ungarndeutschen führte.
Als ersten Schritt der kollektiven Verantwortung kann das Bodenreform Patent vom 17. März 1945 betrachtet werden, welches besagte, dass der Grundbesitz der Vaterlandsverräter, der Nationalsozialistischen Pfeilkreuzler und anderer faschistischen Anführer, der Volksbund-Mitglieder, sowie der Kriegs- und Volksverbrecher, abgesehen von der Größe des Besitzes beschlagnahmt werden muss. Diese Kategorien räumten einen breiten Raum für Missbrauch, für gewaltsames Auftreten gegen das einheimische Deutschtum, für die Wegnahme ihres Besitzes ein. Ebenfalls im Frühjahr 1945 begannen die Internierungen, bei denen zahlreiche Ungarndeutsche polizeilich festgenommen, aus ihren Heimen vertrieben und in Internierungslager gebracht wurden.
Die Aussiedlung der einheimischen Deutschen als Strafe wurde von Seiten der Kleinlandwirte Partei zuerst von Ferenc Nagy am 28. November 1944 angesprochen. Mit dem Gedanken der Aussiedlung der Ungarndeutschen waren alle maßgebende ungarische Parteien einverstanden, Meinungsverschiedenheiten gab es nur in der Frage, – oft innerhalb der Parteien -, ob das im Rahmen der einzelnen, oder der kollektiven Verantwortung zur Geltung gebracht werden sollte.
Der Aussiedlungsbeschluss, der die Deutschen strafte, wurde schließlich – nach den Herbstwahlen – auf der Regierungssitzung am 22. Dezember 1945, anhand des Prinzips der Kollektivschuld gebracht. Der Aussiedlungserlass Nr. 12.330/1945. M.E. lautete wie folgt: „Nach Deutschland umzusiedeln ist jener Staatsbürger verpflichtet, der sich bei der letzten Volkszählung zur deutschen Nationalität und zur deutschen Muttersprache bekannte, oder seinen madjarisierten Namen auf einen deutsch klingenden zurückveränderte, des Weiteren jene, die Mitglieder im Volksbund oder einer bewaffneten Einheit (SS) waren.”
Die vernichtenden Schläge des Zweiten Weltkrieges verschonten auch Budaörs nicht. Im März 1944 stationierte die deutsche Besatzungsmacht in der Ortschaft, und zu Weihnachten 1944 erreichten die russischen Truppen Budaörs. Infolge dessen gelangte die Siedlung nicht nur unter die Kontrolle der Armee, sondern es entstanden parallel dazu auch die örtlichen Organe der neuen Parteien, sowie es begann eine Reihe von Verängstigungsmaßnahmen gegen die deutsche Bevölkerung. In Budaörs erfolgte die Internierung der Deutschen in zwei größeren Abschnitten: bis Frühjahr 1945 wurden die ehemaligen Volksbundführer und Mitglieder, sowie die Pfeilkreuzler und SS-Soldaten vor Allem einzeln eingesammelt, nachher wurden aber die von den Behörden als verdächtig beurteilten Personen gruppenweise in die Sammellager geliefert. Die Ereignisse des Jahres 1945 schufen die Grundlage zur Vertreibung, die 1946 begann.
Laut Plan hat man zuerst mit der Aussiedlung der Deutschen um Budapest herum begonnen, die erste Ortschaft war Budaörs. Der Aussiedlungsausschuss richtete sich im Gemeindeamt, später in der Knabenschule ein, und dort begannen sie die Aussiedlungsliste zusammenzustellen. Das Komitee nahm all diejenigen auf ihre Liste auf, die sich bei der Volkszählung 1941 zur deutschen Nationalität und zur deutschen Muttersprache bekannten, bzw. die ihren madjarisierten Namen auf einen deutsch klingenden veränderten. Aber auch diejenigen konnten sich nicht in Sicherheit fühlen, die sich bei der Volkszählung zum Ungartum bekannten, aber Deutsch als Muttersprache angaben. Sie hatten nur dann eine Chance zum Bleiben, wenn sie es nachweisen konnten, dass sie „wegen ihrer nationalen Treue zum Ungartum verfolgt wurden“. Entlastend waren noch Atteste, die vom Zentralen Statistischen Amt bei der Volkszählung 1941 über Nationalität und Muttersprache ausgestellt wurden, oder ungarische Ehepartner, bzw. der Nachweis einer gewerkschaftlichen Tätigkeit. Tatsache ist aber, dass der Aussiedlungserlass ein weites Feld für verschiedene Übergriffe offenließ.
Die Vertreibung begann am 19. Januar, am Samstag in der Nacht. Die Auszusiedelnden wurden aus ihrem Schlaf gerissen, die Familien hatten nur einige Stunden, um ihre Sachen zu packen. Die im ersten Transport Vertriebenen hatten kaum eine Chance, sich ein Attest zu verschaffen.
Der zweite Transport wurde vom 22. auf den 23. Januar in der Nacht mit 1040 Personen auf den Weg geschickt. Das Gewicht des Gepäcks wurde nicht mehr kontrolliert, sie konnten mitnehmen, was sie wollten. Der dritte Transport ist am 25. Januar, der vierte am 27., der fünfte am 1. Februar, der sechste am 3. und der siebte am 5. Februar nach Deutschland abgefahren.
Die intensivste Periode der Vertreibung dauerte landesweit bis Juni 1946. In die amerikanische Besatzungszone in Deutschland wurden 116 945 Personen gebracht. Von der Vertreibung am meisten betroffen war das ehemalige Pest-Pilis-Solt-Kiskun Komitat, dort mussten 41 303 Personen ihren Wohnsitz verlassen. Die Aussiedlung bekam im Frühling 1947 wegen des tschechisch-ungarischen Bevölkerungsaustausches einen neuen Schwung.
Die Vertreibung wurde im August 1947 erneut in Gang gebracht, aber nun nicht mehr in Richtung amerikanische Besatzungszone in Deutschland, sondern in die sowjetische. Diese Aussiedlung erfolgte erneut anhand der Kollektivschuld und von wirtschaftlichen Interessen begleitet – die Durchführung war ausgesprochen räuberisch -, denn die Gruppe der früher attestierten bestand größtenteils aus wohlhabenden Ungarndeutschen.
Vom 19. bis 31. August sind aus Ungarn 10 381 Personen vertrieben worden. Davon waren 1480 aus Budaörs.
„Unser Schwigertochter hatte einen Besuch einen Spätheimkerer ihr Cusen, der wahr einige Wohen in Budaörs er sakt man mus sich nicht mehr ferstecken man kam frei herum laufen. …es ist kein Hof mehr eingefangen, nirgenz mehr ein Zaun in die schönen Häuser wond man und die alten stehen leer, ohne Fenster und Türen… Die Weinkeller sind bis auf einige, gans Kaput ohne Tach und Fenster und einrichtung die Wände stehen noch.”
(Nachlass Bonomi, Institut für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europa)
„Nach der Vertreibung wurde mit der Bodenverteilung begonnen. Inventarlisten wurden über die in den Wohnhäusern befindlichen Gegenstände aufgenommen. Die Mitglieder der Aussiedlungskommission fuhren mit Pferdewagen zur Inventaraufnahme. Die brauchbaren Gegenstände haben sie auf den Wagen geladen und heimtransportiert. In die Inventarliste wurden nur Holzklötze, Melkschemeln… und andere ähnlich wertlose Sachen aufgenommen.
Ich habe ein Kommissionsmitglied gekannt, der hat dreimal während der Zeit der Vertreibung das Haus gewechselt, damit er der Einrichtung der Häuser habhaft werden konnte. Es gab einen Schneidermeister, der 18 Nähmaschinen besaß. Aus den Presshäusern wurden die Eisenpressen, die Stellfässer, die Weinfässer, die Weinzapf-Geräte mitgenommen. All diese Sachen wurden nach Budapest verkauft. Sogar der Leichenwagen der Gemeinde wurde der Gemeinde Zsámbék veräußert. Als die Einrichtungsgegenstände schon alle waren, kamen die „Weinhäuser“ selbst an die Reihe. Die meisten davon wurden abgerissen. Zuerst wurde das Dachmaterial, die Balken, Leisten, Bretter nach Budapest, an eine Möbelfabrik verkauft. Dort hat man das Holzmaterial zerstückelt, außen und innen mit Furnier versehen und die neuen Möbelstücke waren im Nu fertig. Als auch kein Bauholz mehr vorhanden war, kamen die Dachziegel und die Ziegel an die Reihe. Schließlich waren dann auch diese alle.”
(Komjád-Konrád János)