Mit dem Motto ’Eure Geschichte ist unsere Geschichte’ bietet das Jakob Bleyer Heimatmuseum, als ein lebendiges Museum neben seinen Ausstellungen lokale und landesweite ungarndeutsche Projekte an.
BeratungDie Blütezeit von Budaörs
Budaörs ist die größte Gemeinde im Budaer/Ofner Bergland. Ihre Geschichte und Kultur wurden durch die Nähe zur Hauptstadt, sowie von der ungarndeutschen Bevölkerung geprägt.
Nach der Türkenherrschaft hat Zsuzsanna Bercsényi, die Ehefrau des Grafen Péter Zichy die ersten Siedler ins Land geholt, mit denen sie am 24. April 1721 einen Vertrag abschloss. Das Abkommen sicherte zahlreiche Begünstigungen zu, und regte dadurch die Ankömmlinge zum Bleiben an. Die Pestseuche 1739 unterbrach die Entwicklung der Ortschaft, aber nach den darauffolgenden Ansiedlungen folgten seuchen- und kriegsfreie Zeiten, friedlichere Jahrzehnte, in denen sich die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umstände stabilisieren konnten.
Die geografischen Gegebenheiten von Budaörs begünstigten insbesondere den Weinbau, der im 19. Jahrhundert sich voll entfaltete. Die schönsten Andenken dieser blühenden Kultur waren jene Kelterhäuser und Keller, die im Norden des Ortes ein selbstständiges Dorf bildeten.
Der Blütezeit setzte die Phylloxera (Wurzelreblaus) ein Ende, die gegen Ende der 1880-er Jahre den größten Teil der Budaörser Weingärten vernichtete. In den folgenden Jahren konnte man einen Teil davon erneuern, bzw. es wurden auch neue Gebiete bepflanzt, aber Weintrauben stellte man nur noch für den Eigenbedarf her. Auf den Markt brachte man Tafeltrauben, in erster Linie die Sorte „Tschiri-Tschuri“. Die Landwirte suchten außerdem nach neuen Möglichkeiten zum Lebensunterhalt: Budaörs wurde in den 1920-er Jahren zum bedeutendsten Pfirsichanbau-Gebiet des Landes.
Obwohl die Verbürgerlichung in Budaörs schnell vor sich ging, spielte im Lebensunterhalt die Landwirtschaft eine besondere Rolle. Daneben gab es aber auch eine gut entwickelte Industrie, die Ortschaft hatte kleinere Betriebe und Fabriken: Hölle-Sekt, Eller-Strickerei usw.
Blühendes kulturelles Leben
Die Merkmale der frühen Verbürgerlichung zeigten sich auch im kulturellen Leben. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg gab es mehrere Vereine in Budaörs (Schießverein, Lyra Gesangsverein, Freiwillige Feuerwehr), die dann, gemeinsam mit anderen Organisationen, zwischen den beiden Weltkriegen ihre Blütezeit erlebten.
Das Wirken der Vereine erfasste die gesamte Gemeinschaft, Männer und Frauen, Jung und Alt fanden gleichermaßen das Angemessenste für sich. Ein Teil hatte nicht nur bei der Unterhaltung, sondern auch in der Erziehung der Jugend eine bedeutende Rolle, und ihre Tätigkeit konnte sich fest an die römisch-katholische Kirche anknüpfen.
Sehr bemerkenswert bei der Erziehung der Mädchen war die Tätigkeit der Barmherzigen Schwestern, die 1884 von Georg Krammer nach Budaörs geholt wurden. Unter ihre Aufsicht gehörten der Kindergarten und die Mädchenschule. Die erste Schule der Ortschaft wurde Ende der 1730-er Jahre erbaut, und bis 1884 hat man Jungen und Mädchen in gemeinsamen Klassen unterrichtet. Dann aber zogen die Mädchen in das spätere Postgebäude um, wo sie schon von den Ordensschwestern erzogen wurden. Unter ihrer Leitung wirkte der Verein der Marien-Mädchen. Diese trugen eine Medaille auf blauem Band um ihren Hals, und ihre Ausbildung erfolgte nach strengen Regeln.
Ebenfalls eine hervorragende Rolle spielte im Leben von Budaörs der Lyra Gesangsverein, dessen Mitglieder sich nicht nur mit Singen beschäftigten. Die unter der Leitung von László Clementis 1912 gegründete Gesellschaft pausierte während des Ersten Weltkrieges, wurde aber 1919 neugegründet. Im Rahmen des Vereins gab es auch eine Schauspielgruppe, die auch in anderen Ortschaften auftritt. Sie wirkten aktiv bei den Budaörser Passionsspielen mit.
Das blühende Vereinsleben wurde durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen, und die nachfolgenden politischen Veränderungen machten die Neugründungen unmöglich.
Religiöses Leben
Budaörs war eine rein römisch-katholische Gemeinde. Der gottesfürchtige, religiöse Sinn offenbarte sich bei allen Anlässen des Kirchenjahres, an Sonn- und Feiertagen, bei Wallfahrten und Prozessionen.
Besonders hoch in Ehren gehalten wurde bei den Budaörsern die Heilige Jungfrau Maria. Dies drückte sich besonders in Wallfahrten aus. Zu den beliebtesten Pilgerorten gehörte Maria Einsiedel, Maria Eich, aber ihr weitester Weg führte sie jedes Jahr nach Maria Zell. Sie hinterlegten die Strecke organisiert, mit Pferdewagen, bzw. mit Kurier-Bussen. Zur letzten großen Wallfahrt kam es 1938.
Unter den Kirchenfeiern beging man in großartigster Weise das Fronleichnamsfest in Budaörs, an dem die Gläubigen einen Blütenteppich streuten, auf dem dann das Heilige Sakrament umhergetragen wurde. Das ganze Dorf rüstete sich zu diesem großen Feiertag. Dank der damaligen Pressenachrichten strömten Gläubigen auch aus anderen Ortschaften herbei, um dieses farbenfrohe Kunstwerk zu bewundern.
Der Blumenteppich hatte eine Breite von 4-5 Metern und war 2 Kilometer lang. Besonders emsig beschäftigt war man bei jenen vier Häusern, bei denen die Altäre, das heißt die Kapellen der Prozession, aufgestellt wurden. An die Innenwände der Kapellen hat man mehrere hundert, aus den verschiedensten Blumen geflochtene Kränze gehängt.
Neben dem Blumenteppich war das Passionsspiel auf dem Steinberg die andere große Attraktion von Budaörs. Organisiert wurde sie vom Lyra Gesangsverein, aber in der Thematik knüpfte sie an die Religiosität.
Die Leidensgeschichte von Jesus wurde zuerst 1931 im Gasthaus Müller aufgeführt. Vom Erfolg der ersten Vorstellungen begeistert, kam die Idee auf, dass die Passionsspiele im Freien, auf dem Steinberg gezeigt werden sollten. Die Leitung der Organisierungsarbeiten übernahm Géza Bató, Lehrer, Chorleiter, Verfasser der Passion. Die Uraufführung fand am 1. Juni 1933 statt. Die Passionsspiele wurden bis 1939 veranstaltet.
Bekleidung
Budaörs wurde auf dem Gebiet der materiellen Kultur insbesondere durch die Weintrauben und die Pfirsiche bekannt, sowie durch die Passionsspiele und den Blumenteppich zu Fronleichnam. Aber ein mindestens so wichtiges Merkmal der Gemeinde waren die blauen Strümpfe.
Die Kleidung in den deutschen Siedlungen der Budaer Region war einheitlich. Vor allem waren die solide Verzierung und die dunkleren Farben charakteristisch. Trotz der Ähnlichkeiten gab es aber in den Trachten einer jeden Ortschaft solche Merkmale, Kleidungsstücke, die sie von den anderen absonderten. In Budaörs waren dies die blauen Strümpfe der Frauen. Sie reichten bis zum Knie und wurden unabhängig vom Alter getragen, im Winter aus Wolle, im Sommer aus Garn gefertigt. Als besonderes Kleidungsstück gilt noch ein spezielles Hüftpolster, das die Hüften verstärkte, sowie eine in viele Rechtecke gefaltete Schürze aus sog. Rumburger-Leinen. Zur Festkleidung gehörte das aus schwarzem Tuch genähte, gefütterte, an den Säumen mit Schnürchen verzierte, mit Haken verschließbare Jäckchen. Darunter lugte das Schultertuch aus Seide und seine Fransen hervor, die sich auf die Schürze schmiegten und die Tracht prächtiger machten. Ergänzt durch einen hellblauen Seidenrock und einer eingelegten weißen Schürze war das Jäckchen Teil des Brautkleides. Ähnlich wie bei den Frauen, war auch die Kleidung der Männer einfach. Charakteristische Teile waren die hochgeschlossene Weste aus schwarzem Tuch, und der Mantel mit angeknöpftem Kragen und Knöpfen in zwei Reihen. Festlich kleideten sie sich mit der schnurverzierten Stiefelhose. An Werktagen und Sonntag nachmittags gehörte zur Tracht der Männer die sog. Brustschürze.
Die Bekleidung der Werktage unterschied sich in erster Linie in ihrem Stoff von der, der Feiertage. Sie wurde aus weniger wertvollen, aus pflegeleichten Textilien genäht, aber wegen ihrer Abnutzung blieben wesentlich weniger Stücke davon erhalten, als von der Festtagskleidung. Noch weniger konnten wir von der Kinderbekleidung auffinden und aufbewahren, die in ihrem Schnitt und ihrer Form genauso aussah, wie die, der Erwachsenen.
Die Vertreibung
Das blühende kulturelle und wirtschaftliche Leben von Budaörs wurde durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen, und die Vertreibung der Deutschen brachte einen nie gesehenen Verfall.
Laut Aussiedlungspläne begann man zuerst die Deutschen aus der Umgebung der Hauptstadt zu vertreiben, und die erste Ortschaft hierbei war Budaörs. Die Kommission entschied, all diejenigen auf die Liste zu setzen, die bei der Volkszählung 1941 sich zur deutschen Nationalität oder Muttersprache bekannt, oder die ihren ungarischen Namen auf einen Deutschen geändert hatten. Aber auch diejenigen konnten sich nicht sicher fühlen, die sich bei der Volkszählung als Magyaren bekannt, aber Deutsch als gebrauchte Sprache angegeben hatten. Die Vertreibung begann am 19. Januar 1946. Die Auszusiedelnden wurden aus dem Schlaf gerissen, die Familien hatten einige Stunden, um ihre Sachen zu Packen. Bis zum 5. Februar wurden weitere 6 Transporte von der Bahnstation in Budaörs losgeschickt. In nicht ganz 3 Wochen sind etwa 6000 Budaörser dazu gezwungen worden, ihr Heimatdorf zu verlassen. Im August 1947 wurden weitere 280 Personen ausgesiedelt, diesmal aber nicht in die amerikanische, sondern in die sowjetische Besatzungszone von Deutschland. Die Beseitigung der Deutschen durch Gewalt führte zu gravierenden gesellschaftlichen Veränderungen, die Proportion der Nationalitäten änderte sich von einem Augenblick zum anderen. Die Ereignisse wirkten sich auf alle Segmente des Lebens aus. Die Vertreibung löste eine seit über zwei Jahrhunderte – zwar mit Tücken – aber funktionierende wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung auf und verursachte schwere Schäden in der volkstümlichen Kultur. Die hiergebliebenen Ureinwohner gaben ihre alten Bräuche nach und nach auf, ein bedeutender Teil der Vereine löste sich auf. Noch schlimmer war aber der Schwund an bauhistorischen Andenken. In ein bis zwei Jahrzehnten ist das Kellerdorf fast völlig verschwunden. Auch die kirchlichen Gebäude haben große Schäden erlitten.
Traditionspflege
Die gewaltsame Beseitigung der Deutschen führte zu tiefgreifenden Umwandlungen in Budaörs. Die hiergebliebenen haben aber, wenn sie es öffentlich auch nicht tun durften, in der Familie das Brauchtum und das Andenken der Ahnen weitergeführt, und ab den 1970er Jahren begann auf städtischer Ebene die Rettung des deutschen Erbes.
1983 wurde einer der ältesten Vereine des Ortes, der Lyra Gesangsverein neugegründet, dessen erster Leiter Mátyás Szakály der Jüngere wurde. Der Verein nimmt seit seiner Gründung aktiv am ungarndeutschen und am kulturellen Leben von Budaörs teil.
In den 1970-er Jahren begann auch das Sammeln der gegenständlichen Andenken unter der Leitung von Frau Terézia Füzér, der Direktorin des Kindergartens Nr.1. In einigen Jahren wurde eine so bedeutende Sammlung angehäuft, dass diese einen ständigen Ausstellungsort brauchte. Neben der Stadtleitung befürworteten das auch mehrere Einwohner, unter ihnen Frau Mária Báder und Josef Hauser. Mit ihrem Zutun kaufte der Stadtrat das Gebäude in der Budapesti Str. 47/1, wo am 18. August 1987 ein Museum eröffnet wurde. Mit der Gründung des Museums bekam die Traditionspflege, das Erforschen der Vergangenheit einen institutionellen Rahmen, das von Anfang an von der Stadt Budaörs, ab 1994 von der Deutschen Nationalitäten Selbstverwaltung, sowie von zahlreichen Zivilvereinen und Organisationen unterstützt wird.
Das Jakob Bleyer Heimatmuseum und die Nationalitäten Selbstverwaltung kümmern sich außer der Bewahrung der Gegenstände auch um deren Vorstellung, sie fördern die wissenschaftliche Forschung, die Weitergabe des Wissens, sie halten die kleine örtliche Gemeinschaft zusammen, achten auf das Retten der angegriffenen und der zerstörten Werte. Als Ergebnis dieser Tätigkeit erschienen zahlreiche Publikationen, der Alte Friedhof wurde wiederhergestellt, der Kalvarienberg rekonstruiert, die Steinbergkapelle neugebaut und im Jahr 2000 wurden die berühmten Passionsspiele wiederbelebt.